Viele Patient:innen kommen mit der Sorge zu uns: „Ich habe Arthrose – ist das jetzt schlimm?“
Arthrose klingt für viele nach „Abnutzung“, „Verschleiß“ und „Endstation“. Aber das stimmt so nicht ganz. Zwar handelt es sich um einen degenerativen Prozess, doch der entscheidende Auslöser ist häufig nicht zu viel Belastung, sondern unterforderte Strukturen, die sich nicht mehr ausreichend anpassen können.
In diesem Beitrag möchten wir erklären, was bei Arthrose wirklich passiert, warum Schmerzen nicht immer etwas über den Zustand des Gelenks aussagen – und warum gezielte Belastung, insbesondere Krafttraining, heute als Goldstandard gilt.
Was ist Arthrose überhaupt?
Arthrose beschreibt Veränderungen an den Gelenkflächen, vor allem am Knorpel. Dieser kann mit der Zeit dünner, unregelmäßiger oder weniger elastisch werden. Das klingt dramatisch, ist aber bis zu einem gewissen Grad ein ganz normaler Teil des Älterwerdens – ähnlich wie graue Haare oder Falten.
Typische Beschwerden können, müssen aber nicht auftreten:
- morgendliche Steifigkeit,
- Anlaufschmerz,
- Belastungsschmerz,
- manchmal ein Gefühl von „zu viel Kontakt“ im Gelenk.
Aber wichtig: Nicht jede Arthrose tut weh.
Wie ein Gelenk aufgebaut ist – und warum Belastung entscheidend ist
Ein Gelenk ist mehr als zwei Knochen, die aufeinandertreffen. Es ist ein komplexes Spannungs- und Drucksystem, das man auch mit dem Begriff Tensegrity erklären kann:
Das Konzept Tensegrity stammt ursprünglich aus der Architektur und beschreibt Strukturen, die gleichzeitig stabil und flexibel sind, weil Zug- und Druckkräfte sich gegenseitig ausgleichen.
Übertragen auf den menschlichen Körper bedeutet das:
- Knochen funktionieren hauptsächlich als Druckelemente und liegen fast nie direkt aufeinander. Sie sind getrennt voneinander aufgespannt.
- Muskeln, Sehnen, Faszien und Bänder dienen als Zugelemente.
- Erst das Zusammenspiel aus beiden Kraftarten sorgt dafür, dass ein Gelenk stabil ist und sich gleichzeitig geschmeidig bewegen kann.
Man kann sich das vorstellen wie ein Zelt oder eine Hängebrücke:
Die Stangen (Knochen) halten das Ganze aufrecht, aber erst die gespannten Seile (Muskeln/Faszien) machen die Konstruktion belastbar.
Wenn eines dieser Elemente zu wenig Spannung oder zu wenig Aktivität bekommt – zum Beispiel durch Unterbelastung – kann das gesamte System an Stabilität verlieren.
Warum ist das für Arthrose wichtig?
Weil Knorpel und Gelenke kein isoliertes System sind.
Sie funktionieren nur gut, wenn die umliegenden Strukturen:
- Zugkräfte (z. B. Muskeln)
- Druckkräfte (z. B. Gewicht, Belastung)
In einer gesunden Balance erzeugen.
Zu wenig Belastung → weniger Anregung für Muskeln, Sehnen, Knochen → weniger „Spannung“ im System → schlechtere Versorgung und Anpassung im Gelenk → langfristig ungünstige Veränderungen, wie wir sie bei Arthrose sehen.
Tensegrity erklärt also, warum Gelenke Belastung brauchen:
Nur wenn alle beteiligten Strukturen aktiv „mitspielen“, wird das Gelenk gut versorgt, stabilisiert und langfristig geschützt.
Unterbelastung kann also Arthrose fördern.
Das widerspricht der früheren Vorstellung, dass Arthrose hauptsächlich durch „Überlastung“ entsteht. Heute wissen wir:
Die meisten Gelenke werden im Alltag eher unterfordert als überfordert.
MRT-Bilder – warum sie manchmal mehr verwirren als helfen
Viele Menschen erschrecken, wenn das MRT den Befund „Arthrose“ zeigt. Doch es gibt drei wichtige Szenarien:
- Veränderungen im MRT – aber keine Schmerzen.
Viele Studien zeigen, dass Knorpelveränderungen auch bei völlig beschwerdefreien Menschen auftreten. - Keine Veränderungen im MRT – aber Schmerzen.
Vermeintliche Gelenkschmerzen entstehen nicht ausschließlich durch Knorpel. Auch Muskulatur, Kapsel, Sehnen, Nervensystem oder sogar Stress spielen eine Rolle. - Veränderungen + Schmerzen.
Auch das gibt es natürlich – aber selbst dann bedeutet es nicht, dass der Schmerz „für immer“ bleibt.
Das Fazit der Forschung ist eindeutig:
Das MRT zeigt eine Momentaufnahme – aber definitiv nicht automatisch den Grund für deine Schmerzen.
So wie du auf Fotos auch nicht jeden Tag gleich aussiehst, sehen auch deine Gelenke je nach Situation unterschiedlich aus.
Warum Bewegung und Belastung so wirksam sind
Wenn man versteht, wie Knorpel funktioniert, wird klar, warum dosierte Belastung das zentrale Element der Arthrosetherapie ist:
- Sie verbessert den Stoffwechsel im Knorpel.
- Sie stärkt die umliegende Muskulatur – das entlastet das Gelenk.
- Sie erhöht die Stabilität und Koordination.
- Sie reduziert Schmerzen, weil das Gelenk wieder „gebraucht“ wird.
Bewegung ist der Reiz, der dem Körper sagt: „Dieses Gewebe brauche ich – bitte aufbauen und erhalten.“
Krafttraining – der internationale Goldstandard
Weltweit empfehlen Leitlinien für die Arthrosebehandlung (z. B. OARSI, NICE, ACR):
👉 Krafttraining als wichtigste Therapieform.
Warum?
Weil starke Muskeln die Belastung im Gelenk optimal verteilen und die Strukturqualität unterstützt wird.
Regelmäßiges Training kann nachweislich:
- Schmerzen reduzieren,
- Beweglichkeit verbessern,
- den Alltag erleichtern,
- die Progression der Arthrose verlangsamen.
Und das Beste: Man kann in jedem Alter beginnen – selbst oder sogar besonders mit bereits bestehender Arthrose.
Fazit
Arthrose ist meist kein Zeichen von zu viel Belastung, sondern eher ein Ergebnis fehlender Reize.
Unser Körper braucht Bewegung, damit Gelenke gesund bleiben und Knorpel versorgt wird.
MRT-Bilder zeigen nicht zuverlässig, ob ein Gelenk schmerzt – und Schmerzen bedeuten nicht automatisch „Schaden“.
Gezielte Bewegung und besonders Krafttraining sind heute die effektivsten Wege, Arthrose zu behandeln.
Wenn Du unsicher bist, wie Du starten sollst: Wir begleiten Dich gerne. Gemeinsam finden wir ein Trainingsprogramm, das zu Deinem Körper und Deinen Zielen passt.






